Setsugekka, übersetzt "Schnee, Mond und Blumen", ist ein Thema der japanischen Kunstästhetik, welches aus dem alten China übernommen wurde und in Japan als Symbol der Naturverbundenheit, der Jahrenszeiten und der Vergänglichkeit des Lebens sehr populär war. Auch ist "Schnee, Mond und Blumen" ein Thema der Zen-Philosophie, dass eine Sache je nach Betrachtungsweise unterschiedlich wirken kann. Im Mondschein kann Schnee wie Blumen aussehen, zum Beispiel, und alles ist im Fluss.
Programmkonzeption:
Hikaru Hayashi: Variationen über das japanische Kinderlied „nanatsu no ko“ für Flöte und Klavier
Das Lied hat der Kinderliedkomponist Nagayo Motoori 1921 auf dem Text des Dichters Ujo Noguchi geschrieben. Das Lied beschreibt die Liebe der Kräheneltern zu ihren Kindern.
Hayashi arrangierte das Lied für die Besetzung Querflöte und Klavier. Der Komponist war ein Vorreiter in der Bestrebung der europäisch-klassisch trainierten japanischen Komponisten der Nachkriegszeit, die abendländische Kompositionstechnik mit der japanischen Musiktradition in Einklang zu bringen und so einen eigenen Stil zu finden. So schrieb er z.B. Opern in japanischer Sprache.
Claude Debussy: The snow is dancing (1908)
Der französische Komponist Debussy war auf der Pariser Weltausstellung 1889 nachhaltig von fernöstlicher Kunst inspiriert, insbesondere von der javanesischen Gamelanmusik. Er integrierte die exotischen Kompositionstechniken wie Pentatonik und Gemelan-Technik in seine Werke und schuf eine damals innovative, impressionistische Klangwelt. Im Konzert erklingen Stücke über Mond und Schnee.
Peter Sculthorpe: Snow, Moon and Flowers (1971)
Der australische Komponist, der sich auch mit der Musik der Aborigines beschäftigt, setzt sich hier mit dem japanischen Konzept „Setsugekka“ musikalisch auseinander, inspiriert durch ein Haiku von Masaoka Shiki “der Mond eine Blume, die Sterne zahllos, der Himmel dunkelgrün” (月一輪星無数空緑なり). Das Klavierstück lebt von Metamorphosen und Transformationen der harmonischen und motivischen Strukturen.
Claude Debussy: Clair de lune (1890)
Henry Cowell: The Snows of Fuji-Yama (1924)
Der amerikanische Komponist inspirierte durch seine innovative Kompositionstechnik die nachfolgende Generation wie Cage und Stockhausen. In Kalifornien lebend hatte er Kontakt zur Kultur der asiatischen Migranten. Fuji-Yama ist der höchste Berg in Japan und gilt unter den Einheimischen als heilig. Dieses Klavierstück basiert auf einer Legende, dass der Schnee auf dem Berg Fuji in Wirklichkeit kein Schnee ist. Wenn eine Jungfrau stirbt, nimmt ihre Seele die Form einer weißen Motte an, die auf dem Weg zum Nirwana den Berg Fuji hochfliegt. Wenn die Motte der Bergspitze nähert, fallen ihre Flügeln zum Boden, was für die Menschen unten wie Schnee aussieht. Cowell verbindet in diesem Klavierstück traditionell-japanische Harmonien mit der modernen Cluster-Technik.
Kazuo Fukushima: „Mei“ für Querflöte solo (1962)
Fukushima schrieb Mei zum Gedenken seines Mentors Wolfgang Steinecke. Die Flöte gilt in Japan traditionell als ein Instrument, welches Diesseits und Jenseits verbindet und in beiden Welten erklingt. Das unendliche Sein, verbunden mit dem Glauben an die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits, ist ein zentraler Bestandteil der japanischen Spiritualität. Der Komponist schreibt zu „Mei“: „Trauerflöte. Dunkel. Tief. Fern. Sich entfernend. Schweigend denkend. Kosmisches Unbewusstsein.“
Claude Debussy: (… Des pas sur la neige )(1909)
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Sakura-Sakura – Traversflöte solo
Das vermutlich bekannteste japanische Volkslied. Wenn in Japan von „Blumen“ die Rede ist, sind nicht etwa Rosen gemeint, sondern Kirschblüten. Die Kirschblüten im Frühling sind ein Symbol für die Zerbrechlichkeit und die Vergänglichkeit aber auch für die Kraft des Lebens und für die Wiedergeburt.
Ludwig van Beethoven: Mondscheinsonate (1801)
Eine Liebeserklärung der Pianistin an ihre Wahlheimat und die deutsche Musikkultur, die quasi ihre geistige und künstlerische Heimat ist. Die Pianistin hörte als Dreijährige in Japan ein Konzert von Wilhelm Kempff mit der Mondscheinsonate, und da war ihr klar, dass sie Klavier lernen wollte.
Wolfgang-Andreas Schultz: Vier Blicke auf chinesische Landschaften (2016)
Die vier kurzen Klavierstücke des Hamburger Komponisten beschreiben musikalisch die vier Jahreszeiten, basiert auf vier chinesische Kurzgedichten. Hier werden die gemeinsamen Wurzeln der „Setsugekka“-Ästhetik in China und Japan deutlich. Mit der Aufnahme dieses Zyklus in das Programm ist der Wunsch der Künstlerinnen nach friedlichem Zusammenleben der Völker in Asien verbunden.
Bin Kaneda: Snowy Night (1980)
In der Mandschurei geboren, kehrte der kleine Bin mit seinen Eltern nach dem Kriegsende nach Japan zurück. Als Jugendlicher entdeckte er die durch die amerikanische Besatzung nach Japan gebrachte Brass-Band-Musik für sich. Als Komponist fusionierte er Jazz-Elemente, klassische Stile und traditionell japanische Skalen.
Akio Yashiro: Fantasie über „Akatonbo“ für Flöte und Klavier
Das beliebte Kinderlied „Akatonbo“ (Text: Rofu Miki, Melodie: Kosaku Yamada) beschreibt die Sehnsucht nach der Heimat. Der Protagonist erinnert sich dabei an den Sonnenuntergang im Herbst, den er in der Kindheit erlebt hat.
Yashiro wuchs in den 1930ger Jahren in einer Bildungsfamilie auf – seine Mutter brachte ein Klavier in die Ehe, sein Vater war ein leidenschaftlicher Plattensammler. So kam er früh in Kontakt mit der europäischen klassischen Musik. Später studierte er Komposition in Paris, wo sein Vorbild César Franck war. Yashiro schrieb die Konzertfassungen der japanischen Volkslieder für den Flötisten Rampal.
Die Pianistin Shoko Kuroe wurde in Japan geboren und wuchs seit der Kindheit in Hamburg auf. An der Musikhochschule Hamburg studierte sie Klavier (u.a. bei Eliza Hansen) und Musikwissenschaften (bei Jens-Peter Reiche). Sie war Preisträgerin verschiedener nationaler und internationaler Wettbewerbe und Stipendiatin der „Oscar-und-Vera-Ritter-Stiftung“ und der „Zeit-Stiftung“.
Shoko Kuroe spielte Klavierabende und Kammermusikkonzerte in Europa, in den USA und in Japan, trat als Solistin mit Orchestern unter Dirigenten wie z. B. Volker Schmidt-Gertenbach, Horia Andreescu und Saulius Sondeckis auf, und arbeitete mit Schauspielern wie Evelyn Hamann, Christoph Bantzer und Hans-Jürgen Schatz zusammen. Seit 1986 ist sie Gast bei internationalen Festivals wie z.B. dem Schleswig-Holstein Musik Festival, wo sie auch als Dozentin an der Orchesterakademie tätig war. Ein wichtiger Teil ihrer künstlerischen Arbeit liegt in der Musikvermittlung - so wirkte sie u.a. bei Familienkonzerten des Schleswig-Holstein Musikfestivals und am Education-Programm des Aldeburgh Festivals mit, und entwickelte das Programm „Elise im Wunderland“ anlässlich des Japan-Schwerpunktes des Schleswig-Holstein Musikfestivals.
Die Flötistin Marika Begemann wuchs in Oarai im Osten Japans auf und studierte Querflöte an der Toho Gakuen Musikhochschule in Tokyo (u.a. bei Soichi Minegishi). Während ihrer Weiterbildung am International College of Music in Hamburg (Wolfgang Ritter, Hans-Udo Heinzmann) entdeckte sie die Traversflöte für sich und studierte anschließend Alte Musik an der Musikhochschule Bremen (Marten Root) und Brüssel (Frank Theuns, Barthold Kuijken). Sie ist eine gefragte Traversflötistin und setzt sich für den künstlerischen Kulturaustausch ein. So spielte sie verschiedene Programme mit europäischer Musik im buddhistischen Tempel ihrer japanischen Heimatstadt und wirkte musikalisch beim Kirschbaumbepflanzungsfest in Hamburg mit.